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Forschungsbetrug (kopie vom Ärzteblatt)

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    Forschungsbetrug (kopie vom Ärzteblatt)

    Forschungsbetrug: Jeder Dritte ist unredlich
    Beitrag eingesandt von Dr. med. Vera Zylka-Menhorn am 30.06.2005

    Eine US-Studie enthält erstmals Zahlen zum Ausmaß von Datenmanipulationen und wissenschaftlichem Fehlverhalten. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft schätzt die Situation hierzulande ähnlich ein.

    Daten für das Ausmaß wissenschaftlichen Betrugs in Deutschland gibt es nicht, aber wenn die Ergebnisse einer aktuellen Studie (Nature 2005; 435: 737–738) aus den USA auch nur ansatzweise auf die heimischen Verhältnisse zu übertragen sind, dann scheint es mit der Ehrlichkeit der Wissenschaftler nicht weit her zu sein. Das erschreckende Ergebnis: Jeder dritte Forscher (33 Prozent) hat im Rahmen seiner wissenschaftlichen Arbeiten nach eigenen Angaben allein in den vergangenen drei Jahren mindestens ein strafwürdiges Vergehen begangen.
    Diese erste quantitative Analyse zu einem heiklen Thema liefert eine anonyme Umfrage, die das Team um Brian Martinson von der Health Partners Research Foundation (Minneapolis) durchgeführt hat. Angeschrieben wurden 7 760 Wissenschaftler, die auf den ersten (n = 4 160) oder mittleren Stufen (n = 3 600) ihrer Karriereleiter stehen – darunter Biologen, Mediziner, Chemiker, Physiker, Ingenieure und Sozialwissenschaftler, die allesamt Fördergelder der National Institutes of Health erhalten.

    Die Liste der möglichen Fehlbarkeiten hatten die Autoren in Diskussionen mit 51 Forschern hochrangiger Universitäten erarbeitet. Schließlich sollten die Befragten angeben, welche von 16 möglichen Unredlichkeiten in den letzten drei Jahren auf sie zutrafen. Zehn der Punkte („top ten“) stuften sie als ernst zu nehmende Vergehen ein, sechs weitere klassifizierten sie als nachlässiges Verhalten.
    3 247 Wissenschaftler hatten den „Mumm“, mehr oder weniger wahrheitsgetreue, aber auswertbare Fragebögen zurückzuschicken. Dies entspricht einem Rücklauf, der durchaus vergleichbar zu anderen Umfragen ist. Allerdings zeigten sich hier bereits erste Unterschiede in Abhängigkeit vom Karrieregrad: Nur 43 Prozent der Jungwissenschaftler beteiligten sich an der anonymen Umfrage, aber 52 Prozent des „Mittelbaus“.

    Mit weitem Abstand (15,5 Prozent) wird unter den ernsten Vergehen die – mindestens einmalige – Veränderung von Design, Methodik oder der Ergebnisse einer Studie aufgrund des Drucks eines Geldgebers angegeben (9,5 Prozent der Jungwissenschaftler; 20,6 Prozent des „Mittelbaus“). Über fehlerhafte Daten von Kollegen oder fragwürdige Interpretationen haben 12,5 Prozent hinweggesehen.
    Sechs Prozent haben eigene Daten unterschlagen, die vorherigen Ergebnissen widersprachen. Daten gefälscht oder von Kollegen gestohlen haben laut Umfrage weniger als zwei Prozent. Und mehr als 15 Prozent lassen schon mal einzelne Messpunkte unter den Tisch fallen, wenn sie das Gefühl haben, dass diese ohnehin nicht stimmen.

    Zahlreiche Antworten sind wohl eher geschönt

    „US-Wissenschaftler zeigen Verhaltensweisen, die weit über Fälschungen, Erfindungen und Plagiate hinausgehen“, schreiben Martinson und Kollegen. Dennoch schätzen sie die Ergebnisse ihrer Umfrage eher als „konservativ“ ein: Sie vermuten, dass echte „schwarze Schafe“ den Fragebogen wohl eher nicht beantwortet haben – aus Angst vor Verlust der Anonymität und Repressalien. Auch gehen die Autoren davon aus, dass zahlreiche Antworten wohl eher geschönt sind, das eingestandene Fehlverhalten also untertrieben.
    Als Gründe für die immer weiter um sich greifenden Verstöße machen die Forscher eine Reihe von Faktoren aus. Viele Wissenschaftler stünden unter immensem Konkurrenzdruck und würden zudem durch schwierige, manchmal unsinnige Verwaltungs- und Leitungsaufgaben belastet. Auch eine als ungerecht wahrgenommene Verteilung von Forschungsmitteln fördere Unredlichkeit, wie eine noch laufende Untersuchung nahe legt.

    „Die wissenschaftliche Gemeinschaft kann solches Fehlverhalten nicht mehr länger selbstgefällig hinnehmen“, kommentieren die Autoren. Sie betonen, dass scheinbar banale, dafür aber weit verbreitete Unredlichkeiten dem Wissenschaftsbetrieb insgesamt mehr schaden als spektakuläre Einzelfälle von Betrug. Und wie sieht die Situation hierzulande aus?

    „Nach meiner Erfahrung ist die Situation in Deutschland ähnlich – es gibt deutlich mehr kleine Unredlichkeiten als Fälschungen, genaue Zahlen liegen aber nicht vor“, meint Prof. Dr. rer. physiol. Ulrike Beisiegel vom Uniklinikum Hamburg-Eppendorf, die zugleich Sprecherin des Ombudsmanns der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) ist. Dieses Gremium wurde 1999 eingerichtet und steht allen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern – unmittelbar und unabhängig von der DFG – zur Beratung und Unterstützung in Fragen guter wissenschaftlicher Praxis zur Verfügung. Der Ombudsmann legt seine Arbeit in regelmäßigen Berichten dar, die im Internet abrufbar sind unter www.rrz.uni-hamburg.de/dfg_ombud/ sowie unter www.dfg.de.

    Nach dem am 31. März vorgelegten fünften Jahresbericht ist der Ombudsmann der DFG seit seiner Einsetzung in 162 Fällen tätig geworden – mit jährlich steigender Tendenz (Tabelle). Allerdings fällt auf, dass das Gremium fast nur für Beratungen und weniger für konkrete Anschuldigungen in Anspruch genommen wird. „Die verschiedenen Anfragen machen deutlich, dass vielen Wissenschaftlern die Regeln guter wissenschaftlicher Praxis gar nicht bekannt sind. Kommt es zum Streit mit anderen Wissenschaftlern, möchten sie sich rückversichern, ob die von ihnen vertretene Auffassung die richtige ist“, erläuterte Beisiegel gegenüber dem Deutschen Ärzteblatt.

    Dabei fällt auf, dass die Zahl der Anrufungen aus dem Bereich der Medizin die der anderen Fächer wesentlich übersteigt: „16 von 36 angenommenen Anrufungen im Bereich der Medizin und weiteren zehn Anrufungen im Bereich der sonstigen Naturwissenschaften stehen nur sieben Fälle in den Geistes- und Sozialwissenschaften und drei in sonstigen Fächern gegenüber“, sagte Beisiegel.
    Unklar sei, ob dies an einer besseren Identifizierung von Fehlverhalten in der Medizin und den Naturwissenschaften, an stärkerer Zurückhaltung in den Geisteswissenschaften oder an der Sozialisation in den Fächern allgemein liege. Es sei allerdings bekannt, dass die extreme Konkurrenzsituation in Laboren zu Konflikten, Neid, Feindschaften und wechselseitigen Verdächtigungen führt. Dementsprechend sind Betrugsfälle gerade aus besonders angesehenen Laboren gemeldet worden. Die DFG-Analyse macht deutlich, dass der Integrität des Wissenschaftssystems besondere Bedeutung zukommt, da Verstöße gegen die Regeln guter wissenschaftlicher Praxis nur innerhalb des Systems zu erkennen und aufzuklären seien. „Die gewollte Selbstkontrolle der Wissenschaftler muss real gelebt werden, damit nach außen nicht der Eindruck entsteht, als sei die Wissenschaft ein geschlossener Club, ja eine verschworene Gemeinschaft“, so Beisiegel. Heutzutage müssten sich die Forscher der politischen und medialen Öffentlichkeit stellen. Dadurch erfahre die Wissenschaftsszene eine grundlegende Wandlung.

    „Qualitätssicherung in der Wissenschaft muss ein Leitprinzip in allen Institutionen werden“, fordert auch Dr. Christoph Schneider, Leiter der Abteilung „Fachliche Angelegenheiten der Forschungsförderung“ der DFG (Bonn). Dazu gehöre vor allem die Fürsorgepflicht der Leitungspersonen gegenüber dem wissenschaftlichen Nachwuchs. Die jungen Leute sollten als angehende Forscher(innen) so betreut werden, dass sie die elementaren Grundsätze der Wissenschaft – wie die Ehrlichkeit –, die sowohl handwerklich als auch ethisch sind, nicht nur kognitiv verstehen, sondern sich auch zu Eigen machen.
    Hier bestehen nach Einschätzung von Schneider noch Defizite, „weil es überall die üblichen sozialen Probleme von Vertrauen und Kontrolle gibt und weil die Kräfte, die konsequenter Sorgfalt und Ehrlichkeit entgegenwirken, sehr stark sind“. Die Rolle desjenigen, der einen Betrug entdeckt und verfolgt, sei heute immer noch prekär.

    Den größten Teil der Auseinandersetzungen um Fehlverhalten bilden nach Aussage der DFG nach wie vor Fragen der Autorenschaft, der Datenaufbewahrung sowie des Umgangs mit Daten. „Die Beiträge der einzelnen Autor(inn)en an einer Publikation müssen offen gelegt werden. Das bedeutet auch, dass der Chef nur Mitautor ist, wenn er die Publikation als Manuskript wenigstens gelesen und verstanden hat“, so Schneider, der auch die Quantität der heutigen Publikationen infrage stellt und von einer „Überlastung“ des Peer-review-Systems spricht.
    Die Einführung von Publikations- und Zitationsmaßen, an die Einkommenssteigerungen oder die Zuweisung von Forschungsgeldern geknüpft werden (evaluation based funding), haben ersichtlich den Effekt, die Publikationsaktivität zu steigern. „Es wird um jeden Preis publiziert“, sagt Schneider dem Deutschen Ärzteblatt. In manchen Fällen könnte der Versuchung, die Grenze zum Fehlverhalten zu überschreiten, nachgegeben werden.
    Für Prof. Dr. med. Peter Weingart von der Universität Bielefeld ist das zunehmende Fehlverhalten in der Wissenschaft das Resultat einer „Erosion im Verhaltenskodex“, die auf eine Veränderung der Wissenschaftskultur zurückgehe, in der inzwischen vermehrt die Maxime des Shareholder-Value Einzug gehalten habe. „In dem Maß, in dem die akademische Welt von der Semantik der betriebswirtschaftlichen Rationalisierung, von Management nach Kostenstellen und der Legitimation durch Marketing durchdrungen wird, gewinnt Cleverness des Verhaltens eine höhere Bewertung als Solidität der Forschungsergebnisse“, schreibt Weingart im Artikel „Öffentlichkeit der Wissenschaft – Betrug in der Wissenschaft“ der DFG.

    Letztlich, so resümiert Schneider, wird man den Befunden aus den Vereinigten Staaten, die in Nature veröffentlicht wurden, aus deutscher Sicht keine Zweifel entgegenstellen können: „Was dort berichtet wird, ist nicht grundlegend neu, aber es ist jetzt empirisch breit abgesichert...
    morgen ist heute schon gestern
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