Affect-Inkontinentz

[incologne]

Hallo,

wer hat Erfahrungen zum Thema der "Affect-Incontinentz" bei ALS Patienten.
Bekannt sind am Anfang der Erkrankung hat man sogenannte Lach und Wein flashs.
Mittlerweile sind extreme Schreianfälle fast jeden Tag und besonders bei "Arbeiten an ihr" wie Toilettengänge oder Essen ist es oft so das Sie schreit wenn etwas geringfügig falsch läuft.
Der Neurologen nett das Affekt-inkontinenz.
Wer hat das oder kennt es und was macht ihr dagegen?

[Elektra]

Hallo incologne,

solche Reaktionen kenne ich von meinem Vater nur alllzu gut, ich habe es oft erlebt und meine Mutter wahrscheinlich noch viel öfter... Ich denke, dass der Patient einfach aus Hilflosigkeit schreit, dennoch muss man daran denken, dass wir genauso hilflos sind. Was man da machen kann... je nach Situation. Es kostet sehr viel Kraft mit jemandem, der nicht sprechen kann (so war es bei meinem Papa) immer herauszufinden, wo der Schuh gerade drückt. Wenn Du allein pflegst, dann versuche, der Situation ab und an zu entfliehen, denn von Deiner psychischen Konstitution hängt viel ab. Meine Mutter hat natürlich öfters mal die Geduld verloren und ihn angemault... und manchmal kommt es vor, dass man sie einfach schreien lassen muss. Und vielleicht mal kurz den Raum verlassen...

Liebe Grüße

Sonja

[ingeJausS]

hallo, incologne
wie ich aus deinen beiträgen erkennen kann, möchte deine mutter keine peg! warum? möchte sie so nicht mehr leben? sind das die gründe, warum sie schreit? meine mutter hat gute phasen, da ist sie freundlich und humorvoll.... aber auch schlechte phasen, dann stöhnt, jammert oder schreit sie. schmerzen hat sie keine, aber sie will dann nicht mehr. wir sind dann alle sehr hilflos. ich schmeisse dann alle aus dem zimmer (papa, bruder, besucher) und rede ganz ruhig mit ihr. wenn das nicht hilft, bekommt sie auf wunsch "atosil". ich arbeite auch den ganzen tag, das heisst, vor der arbeit die pflege an meiner mutter, nach der arbeit (sie schaut auf die uhr) gehts weiter, samstag, sonntag ganztägig! keine pausen, keinen urlaub, das geht jetzt so seit drei monaten. papa ist am tag für sie da, wäscht, bügelt, kocht usw.ich glaube, du verstehst! aber man tut es, egal, es könnte jeder tag der letzte gemeinsame für uns sein. halte durch, viel, viel kraft und liebe grüße, inge

[ingeJausS]

hab ich als erklärung gefunden:
affektinkontinenz:
Rasches Anspringen von allen Affekten, die nicht beherrscht werden können und manchmal eine übermäßige Stärke haben können. Beispielsweise plötzliches Losweinen eines Patienten nach einem Schlaganfall ohne dass er wirklich traurig wäre. Die Patienten leiden unter der mangelnden Kontrolle ihrer Gefühlsäußerungen, die oft gar nicht so wie dargeboten empfunden werden. Nicht jedes Weinen ohne Traurigkeit entspringt allerdings einer Krankheit. In jeder Kultur gibt es Menschen (Frauen>Männer, Kinder>Erwachsenen), die willentlich weinen können ohne, dass sie wirklich traurig sind, bzw. in dem sie sich etwas trauriges vorstellen. Man nennt dies manchmal auch taktische Tränen, da dies häufig zur Durchsetzung von Vergünstigungen eingesetzt wird. Nach Umfragen ist davon auszugehen, dass es sich dabei bei weiblichen Geschlecht um einen 2 stelligen Prozentsatz handelt, bei Männern eher jeder 20. Die Umgebung gibt zwar nicht selten den Tränen nach, bei länger dauernden Beziehungen wird diese Fähigkeit allerdings häufig vom Partner als problematisch erlebt.

[incologne]

Hallo Inge,

ja es ist sehr vergleichbar zu deiner situation. Ich weiss nicht warum sie keine peg will..möglicherweise will si so langsam gehen... aber eine hälfte in mir sagt ja..geh..denn es wäre eine Erlösung und die andere hälfte sagt bitte bleib noch..
Ich pflege mit meinem Bruder und nem Pflegedienst und nun auch noch ner 24h kraft. Ohne diese wären wir langsam kaputt gegangen..wir machen es so intensiev seit 2 Jahren..

[Helmut Welger]

aus eigener erfahrung kann ich klarstellend sagen, dass nicht die affekte als solche verändert sind, sondern nur ihr ausdruck, weil ich den ausdruck nicht dosieren und vor allem nicht stoppen kann. entsprechendes gilt beim gähnen, stöhnen, beißen. der versuch, "sich am riemen zu reißen", bewirkt genau das gegenteil. Es ist, als ob alle bremsen versagten und man stattdessen vollgas gäbe.
für nichterkrankte ist es wichtig zu wissen, dass nicht das innere erleben, sodern nur der ausdruck übertrieben ist.
ich lache oder weine heftig über, drastisch gesagt, jeden scheiß, auch wenn ich nur mäßig amüsiert oder betrübt bin. ein trost ist, dass das lachen meist sympathisch gefunden wird.
gruß helmut

[ 22. April 2007: Beitrag editiert von: Helmut Welger ]

[incologne]

Hallo Helmut,

danke für deinen Beitrag!
Das was du sagst konnte ich bei meiner Mutter nicht in Erfahrung bringen. Aber es ist mir sehr wichtig es zu verstehen. Von daher sind deine Erfahrungen für mich sehr wichtig. Lieben Dank dafür..

PS: Was kann die "Aussenwelt" hier machen? Ich bin oft verzweifelt und neige dazu lauter zu werden- ..Ja..ich weis..das ist wohl falsch.