Stand: 18.06.2014 10:30 Uhr
Der Kampf ums Medikament
Ein bestimmtes Medikament gibt einem ALS-Patienten Hoffnung.
Helmut Schulze lebt. In einem reglosen Körper. Vor sieben Jahren haben viele Nervenstränge in seinem Körper aufgehört zu arbeiten. Warum, das weiß niemand. Die Ärzte diagnostizierten ALS - amyotrophe Lateralsklerose. Ein komplizierter Name für eine mysteriöse Nervenkrankheit, von der niemand so genau weiß, woher sie kommt, oder wie man sie bekämpft. Der 52-Jährige kann weder schlucken, noch sprechen. Beim Atmen hilft eine Maschine.
Verblüffende Besserung
Doch seit einem halben Jahr beobachtet sein Pfleger Sven Frericks mit Erstaunen, wie die Lähmungen langsam zurückgehen: "Also er kann eigenständig seinen Kopf halten, der Rekord liegt bei siebeneinhalb Minuten. Die Mimik hat sich komplett verändert, das, was für uns alltäglich und normal ist, mal die Wangen oder die Lippen zu heben, ein Lächeln - das ist alles wieder möglich. Das sind alles Fortschritte, die uns verblüffen." Auch atmen kann Helmut Schulze schon wieder fast eine Stunde am Stück von allein.
Der Natur ein Schnippchen schlagen
Der Immunologe Dr. Erwin Walraph aus Neubrandenburg beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit ALS-Patienten. Er ist sich sicher: Das Immuntherapeutikum Repamun - in Verbindung mit weiteren Präparaten - ist der Grund für den Erfolg. Denn das Medikament wirke auf das Immunsystem. Und das sei eng verbunden mit dem Nervensystem. Leidet der Mensch an einer schweren Krankheit oder unter enormem Stress, fehlen dem Körper wertvolle Proteine, "und wenn wir jetzt diese Stressproteine zuführen, dann schlagen wir der Natur so ein kleines Schnippchen, indem diese verbrauchten Stressproteine wieder da sind und ihren positiven Effekt auslösen."
Teure Behandlung, skeptische Kollegen
In mehr als 60 Fällen konnte Dr. Walraph bereits einen Therapieerfolg mit Repamun feststellen. Auch aus dem Süden Deutschlands berichten inzwischen ALS-Patienten von einer enormen Verbesserung ihrer Symptome durch das Medikament. Doch bei aller Euphorie müssen Betroffene für die Immun-Therapie tief in die eigene Tasche greifen. Rund 2.000 Euro kostet die Behandlung im Monat. Die Kassen zahlen keinen Cent für sogenannte Immun-Modulatoren. Dass selbst viele Neurologen den Erfolg der Immuntherapie ignorieren, ist für Dr. Walraph völlig unverständlich: "Man soll die Lösungen, die man hat, nicht ignorieren, sondern man sollte positiv damit umgehen, man sollte alles ausschöpfen."
Keine Zulassung
Das größte Problem steckt in Repamun selbst. Zwar wird das Medikament seit 30 Jahren in Rostock hergestellt, für die innere Anwendung gibt es jedoch keine Zulassung. Die Forschungen dafür würden das Unternehmen Biomun bis zu 20 Millionen Euro kosten. Für große Pharmakonzerne ein Fall für die Portokasse, für kleine Labore jedoch unbezahlbar. Jana Schulze fühlt sich im Kampf um ihren Mann von den Medizinern im Stich gelassen: "Also wirklich so, dass ich das Gefühl habe, da kniet sich irgendjemand mal da rein oder man hat Hoffnung oder jemand hört einem wenigstens mal zu. Man ist da ganz allein auf weiter Flur. Hilf Dir selbst, wenn du Hilfe brauchst."
Hilfreich könnten allerdings Entwicklungen aus dem Süden Deutschlands sein. Sozialgerichte in Duisburg und Stuttgart verpflichteten inzwischen Krankenkassen zur Zahlung von Repamun für ALS-Patienten. Für Helmut und Jana Schulze aus Mirow ist das ein Hoffnungsschimmer am Horizont.
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