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Depressionen oder Paranoia bei ALS - was tun?

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    Depressionen oder Paranoia bei ALS - was tun?

    Moin Miteinander,

    mein Mann hat seit mittlerweile 8 Jahren die Diagnose ALS. Seit 5 Jahren kann er nicht mehr sprechen, hat eine PEG, seit 4 Jahren eine TK, kann sich nicht mehr bewegen und wird 24 h beatmet. Der 24h Pflegedienst geht bei uns mittlerweile seit 5 Jahren aus und ein. Mein Mann hat "sein Patientenzimmer", das er nur am Wochenende mittels Rollstuhl für einen Ausflug oder eine Tour um den Block verlässt. Leider kann(will) er den E-Rolli selber nicht mehr fahren. Kommunizieren tut er über eine Augensteuerung oder außerhalb davon mittels Buchstabentafel. Er kann im Internet surfen und den TV mittels Umfeldsteuerung bedienen. Das familiäre Umfeld ist m.E.n. intakt, der Freundeskreis hat sich krankheitsbedingt reduziert, aber die die noch da sind, sind echt gute Freunde. Zwar arbeite ich 40-50 Stunden die Woche, aber ich bin morgens, abends und am Wochenende für ihn da, lagere ihn nachts zusammen mit dem Pflegedienst zwischen 1 -2 Uhr, schlafe selbst nachts nur zw. 3 -5 Stunden, organisiere Rock-Konzertkarten, beschaffe Hilfsmittel, 2x jährlich fahren wir mit Gerödel und Pflegedienst in den Urlaub. Das zur Vorgeschichte...

    Seit ca. 6-7 Monaten spüren wir, die Freunde, der Pflegedienst, aber auch ich schleichende Verhaltensveränderungen bei meinem Mann. Er hat totale Stimmungswechsel mehrfach am Tag, entwickelt sich zeitweise zu einem, bitte entschuldigt, Haustyrannen mit einem Hang zu einer Paranoia....

    Beispiele? Hier so einige…

    Er lässt neuerdings das "Bitte und Danke sagen" einfach weg, lässt sich regelrecht bedienen, schreibt, wenn er etwas mitteilen möchte in einer "wenig-blumigen" Sprache wie „die Sau, das Dreckspack, alles Arschlöcher“. Er fühlt sich von Pflegern und Freunden (incl. seiner Ehefrau) angelogen und es würde hinter seinem Rücken getuschelt werden... Ich muss dazu sagen, er konnte sich noch nie beim Schreiben mit der Augensteuerung kurz fassen. Aber bis vor ein paar Wochen hieß es immer von ihm “Bitte noch etwas Tee“ oder „Bitte Fenster schließen, Danke“

    Er ist an einigen Tagen der Meinung, dass neben dem jeweiligen diensthabenden Pfleger (ich bin auf Arbeit) noch jemand in der Wohnung ist. Das ist schon mehrfach bei verschiedenen Pflegern vorgekommen, die ihm alle gesagt haben: "Da ist Niemand". Aber er glaubt es nicht. Er fühlt sich hintergangen. Seiner Meinung nach schleicht jemand durch die Wohnung.

    Auf unserem Balkon schauen sich mein Mann und ich, uns gemeinsam den tollen Sonnenuntergang an, sitzen gemütlich (beide völlig entspannt) und als er wieder hinein ins Bett möchte, lässt er sich von mir mit dem E-Rolli durch die gesamte Wohnung fahren, um überall zu schauen, ob da noch "Jemand" ist.

    Wenn ich später als "normal" von Arbeit komme, weil ich noch einkaufen war oder bei gemeinsamen Freunden kurz war und auf die seine Frage: "Wo warst du?" wahrheitsgemäß antworte, glaubt er mir nicht. Auch unseren Freunden glaubt er nicht, ich hätte alle instruiert ihn zu belügen.

    He ich will euch hier nicht die Ohren volljammern, oder meinen Mann als A…loch hinstellen.
    Ich liebe meinen Mann! Wie kann ich ihm bzw. uns helfen? Gibt es Parallelen zu anderen ALS‘lern?
    Was kann man tun? Was hat sich bewährt?

    Der Hausarzt rät zu Medikamenten wie Amitriptylin, die ich ihm „unterjubeln“ soll. Da er aber von seiner Einschätzung, dass er belogen wird überzeugt ist, wird er sicher keinesfalls dann Medikamente gegen Depressionen nehmen. Und doch tue ich mich sehr schwer damit, ihm das Medikament unterzuschieben. Ich habe meinen Mann nie wie einen „Kranken“ behandelt, er hat für mich nur einige Handicaps - nicht sprechen zu können, sich nicht bewegen zu können. Nicht mehr und nicht weniger. Irgendwie betrüge ich ihn m.E.n. damit, auch wenn es zu seinem Besten ist...

    Ich glaube das jahrelange "Rumgeliege" in seinen 4 Wänden, die Einschränkungen durch die ALS, wenig außerhalb des Zimmers sehend mitzubekommen, nur zu hören, das ist schwierig zu verarbeiten. Er gräbt sich selbst in seinem Zimmer ein und legt sich seine eigene “böse Welt“ zurecht.

    Und ich möchte ihn ans Licht der realen Wirklichkeit holen… aber wie?

    Ich freue mich auf euer Feedback gern auch als PN.

    #2
    Moin Moin Küstennebel,
    hast Du Dir auch einmal die Frage gestellt, ob dieser Verdacht Deines Mannes berechtigt ist?
    Vielleicht hörte er jemanden laut reden, obwohl einer vom Pflegedienst vielleicht nur telefonierte.
    Oder wie schon es mal vorkommt, hat ein Pflegender Besuch einmal mitgenommen, damit es nicht zu langweilig wird.
    Oder was auch schon vorgekommen ist, dass jemand eine andere Person reingelassen hat, während der Patient auf Toilette ist.


    Dies braucht nur einmal vorgekommen zu sein und wird vom Patient bemerkt, dann wird der Patient misstrauisch.


    Am Besten hilft dann eine Kamera im Flur, die Dein Mann vom PC oder Laptop steuern kann. Dann hat er ein sicheres Gefühl und kann aktiv seine Wohnung selbst überwachen.


    Einen lieben Gruss
    Uschi
    Es ist nicht zu wenig Zeit, die wir haben, sondern es ist zuviel Zeit, die wir nicht nutzen.
    Lucius Annaeus Seneca
    Mein 1. Buch über PLS / ALS ist auch als E- Book erhältlich: http://www.schulz-kirchner.de/bueche...kt-e-book.html
    und nach meinem Signaturspruch: am 2. Buch arbeite ich noch momentan.

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      #3
      Moin liebe Uschi,

      Danke für dein Feedback.

      Klar habe ich mir mehrfach die Frage nach der Berechtigung seiner Sicht gestellt. Die Themen: zu laut reden, telefonieren, Besuch empfangen - sind alle schon durchgespielt und abgefragt. Er ist überzeugt, das ist es nicht.

      Das mit einer Kamera ist etwas, was ich meinem Mann schon vor Monaten vorgeschlagen habe, bisher wollte er nicht. Nun will er sie doch und ich habe damit kein Problem und schaue mich mal nach einem für ihn gut mit der Augensteuerung zugänglichen System um.

      Wenn ich nicht im Hause (also auf Arbeit) bin, weiß ich nicht wirklich, was der Pflegedienst so im Rest der Wohnung treibt. Das wird sicher eine Kamara Im Flur und Eingangsbereich demnächst mehr oder weniger zeigen.

      Aber dass er morgens um 5 Uhr mich und einen Pfleger (der gar nicht im Dienst war) deutlich gehört haben will und davon überzeugt ist, dass hier eine Verschwörung läuft und das nicht zum ersten Mal, war für mich krass. Ich habe zu diesem Zeitpunkt geschlafen, in meinem Bett, ALLEIN... und ich kann ihm das Gegenteil zu seinen Kopfkino nicht beweisen! Egal was ich sage, er glaubt es nicht - und das tut weh, sehr weh.

      Klar gibt es die Floskeln, wo Rauch ist, da ist auch Feuer...... und so weiter, aber das trifft hier NICHT zu.

      Seine krassen Stimmungsschwankungen und Verhaltensänderungen in immer kürzeren Abständen, besonders das Mistrauen mir persönlich gegenüber - OHNE Anlass oder Grund, sind nach langer, langer Überlegung meinerseits der springende Punkt ihm (uns) Hilfe zu suchen.

      LG

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        #4
        In bis zu 10% der Fälle kann bei ALS eine frontotemporale Demenz auftreten - gehört dann zur ALS und ist nicht unabhängig von der ALS. Da geht es dann um eine enthemmte Kommunikation. Zum Beispiel gibt es öfters den Fall, dass Ehefrauen darunter leiden, dass die an ALS erkrankten Ehemänner plötzlich anfangen, für sie unangenehme sexuelle Anzüglichkeiten per Augensteuerung zu äußern, was zuvor gar nicht ihre Art war.
        Wenn ich die frontotemporale Demenz aber richtig verstehe (habe nicht wirklich Ahnung davon), dann gehört die beschriebene Paranoia nicht dazu.
        Also, ich weiß leider zu dem Thema nichts Schlaues zu sagen, tut mir leid.
        Alles Gute euch beiden!
        ALS - was nun? Meine persönlichen Tipps und Tricks mit der ALS klar zu kommen.
        Offen für Buddhismus? Mögliche Freizeitbeschäftigung: Buddhistische Meditation
        Buchtipp: Von Tod und Wiedergeburt von Lama Ole Nydahl, auch als Kindle-Edition, zum Lesen am PC mit den Lese-Apps.

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          #5
          Nach etwas Recherche nehme ich alles zurück: Vielleicht kann es doch frontotemporale Demenz sein. Aber am besten fragst Du bei einer ALS Ambulanz nach, was die meinen?

          An sich hast Du Deinem Mann ja ein regelrechtes ALS Schlaraffenland eingerichtet, was auf diesem Niveau nur wenige ALS Erkrankte bekommen. Also bezweifle ich, dass Frust über sein Umfeld in Frage kommt.
          ALS - was nun? Meine persönlichen Tipps und Tricks mit der ALS klar zu kommen.
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            #6
            Dein Mann kann im Internet surfen? Dann also auch hier im Forum mitlesen. Tut er dies?
            Wenn man so lange diese Erkrankung hat und mehrheitlich nur mit Pflegekräften den Tag verbringen "darf" und dem TV oder dem PC, dann kann sich u.U. schon die Persönlichkeit, Psyche verändern.
            Er kann auch Dinge hören u. wahrnehmen oder sich vorstellen die nicht so vorhanden sind.
            Man denke nur an Sinnestäuschungen bei zuwenig Flüssigkeitszufuhr o. Hitze o. Nahrung.

            Ich bin schon als Pflegende ziemlich angestrengt, aber als Erkrankter ist die Anstregung für den Geist doch ungleich höher.

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              #7
              Hallo ihr Lieben,

              ja, er kann mit seiner Augensteuerung im Internet surfen, beschränkt sich aber m.E.n. ausschließlich auf das Surfen bei Viedeo-Portalen wie Youtube, Spiegel online und Fernsehsendungsseiten RTLnow, DMAX oder Pro7. Dieses Forum war bisher ausschließlich meine Infoquelle. 100 % kann man aber nie sicher sein.

              Einen ALS-Patienten daheim 24h zu pflegen ist sicher auch mal anstrengend und wird von Pflegediensten gern als "schwierige Versorgung" abgestempelt. Nach den Jahren der Pflege ist meine Meinung, eine ALS-Versorgung ist vielleicht komplex oder anspruchsvoll, aber auch nicht schwieriger als die Pflege eines Wachkoma-Patienten o.s.ä.

              Sicher ist die psychische Komponente bei der Pflege eines ALS'lers höher zu bewerten, aber hier liegt halt ein normaler Mensch mit Wünschen und Bedürfnissen, der sich "nur" nicht bewegen und sprechen kann. Möchte aber "normal" behandelt werden. Er ist auf Pflegende angewiesen, die in seinem Sinne handeln und nicht über ihn hinweg entscheiden und "ihr Ding" durchziehen wollen. Damit kann nicht jeder Pfleger umgehen und das ist einfach menschlich - und unterscheidet die Pfleger nicht in guter Pfleger - schlechter Pfleger... wie es manchmal interpretiert wird.

              Wir versuchen so viel Normalität, aber auch Abwechslung in den Alltag reinzubringen. Diese Verhaltensänderungen machen aber den Alltag schwierig und belasten beide Seiten. Es ist ja auch für meinen Mann irgendwie "bedrohlich", wenn er denkt, es schleicht jemand bei uns durch die Wohnung. Ich werde mal unseren Neurologen in der ALS-Ambulanz konsultieren. Vielleicht ist eine Kamera wirklich schon die Lösung oder wir müssen andere Wege finden.

              @peterw
              Nö, Schlaraffenland ist vielleicht zu hoch gegriffen, denn die gebratenen Tauben, die ihm dann in den Mund fliegen würden, kann er leider nicht mehr essen und schlucken
              In der heutigen Zeit gibt es mittlerweile viele Möglichkeiten die Handicaps eines Patienten zu kompensieren. Leider ist der Verlauf bei einigen ALS'lern so rasant, dass bei Lieferung des Hilfsmittels, dieses schon obsolet ist, leider.
              Wir haben vielleicht ein wnig Glück, mein Mann ist bei seiner Kasse, ich sage immer: in der "Großschadensabteilung" gelandet. Dort haben wir einen persönlichen Ansprechpartner, der sich ausschließlich um Patienten mit Pflegestufe 3 oder 3+ kümmert und landen nicht bei den Mitarbeitern mit dem Alltagsgeschäft im Akkord. Aber der Weg dahin war lang, nervig und voller eingereichter Widerspüche gegen Ablehnungen durch die KK.

              In diesem Sinne herzlichen Dank für euer Feedback und LG

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