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Gliedergürteldystrophie

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    Gliedergürteldystrophie

    Hallo,
    da ich seit einiger Zeit das Forum schon lese, möchte ich nun selbst mal einige Fragen loswerden, da ich den Eindruck habe, dass wir hier mit Gleichgesinnten Kontakte aufnehmen können. Eigentlich ist unser Sohn Sebastian der "Glückspilz", der offensichtlich Gliedergürteldystrophie vom Typ 2 D oder E hat(welche Art ist noch nicht endgültig abgeklärt). Mich würde interessieren, ob jemand selbst davon betroffen ist, oder mit jemanden verwandt ist, oder jemanden kennt ...
    Wie verläuft es bzw wie fangen die ersten Schwächen an? Sebastian ist erst 3 und derzeit wohl noch überwiegend ganz altersgemäß. Gibt es einen merklichen Unterschied zu Duchenne, das ja als Beckengürteldystrophie aus der Körpermitte aus losgeht?
    Ich hab noch ganz viel Fragen und warte gespannt auf eure Rückmeldung.

    Bärbl
    Bärbl

    #2
    Hallo Bärbl,

    Ich habe Gliedergürteldystrophie. Den Typ kann ich Dir aktuell nicht nennen, die genaue Bestimmung steht auch bei mir noch aus.

    Meine Geschichte ist folgende:
    Im Kleinkindalter bemerkten meine Eltern, dass ich viel auf Zehenspitzen lief und mich beim Treppensteigen am Geländer die Treppe hinaufzog.
    Der Kinderarzt diagnostiziert dann zu kurze Achillessehnen und verschrieb Krankengymnastik. Die Therapeutin bemerkte bei den Übungen, dass mir Kraft fehlt.
    Mit der Beobachtung ging's zurück zum Arzt. Er mußte dann zugegen, dass die Therapeutin recht hat. So wurde dann eine Muskelerkrankung festgestellt.

    In der Schule spielten die folgenden Einschränkungen dann zum ersten Mal eine Rolle.
    Ich hab nicht die maximale Kraft, die ich haben sollte. Woraus z. B. folgende Unterschiede entstehen, gegenüber "Gesunden":
    - kann nicht so schnell laufen.
    - kann nicht so schwer heben.
    - leicht schwankender Gang (darum wurde ich Seemann genannt).
    - werde eher müde.

    Wobei, so mein Eindruck, die Beinmuskulatur wesentlich stärker ist, als die Muskeln des Oberkörpers. Sprich die Brust-, Rücken-, Arm- und Schultermuskulatur stärker betroffend sind von der Erkrankung.

    Im großen und ganzen bin ich eben im Nachteil, wenn es um Kraft geht. Und beim Sport, der bei Kindern oftmals eine große Rolle spielt, z. B. geht's meistens um Kraft. Deshalb solltet Ihr Euch auch gut überlegen, ob der Junge am Schulsport teilnehmen soll oder nicht. Denn gute Noten im Sport werden für ihn unter Umständen schwierig bis unerreichbar. Und die anderen Kinder spüren den Unterschied gewalltig und könnten ihn daraufhin ärgern, hänseln. Heute würde man das wohl als Mobbing bezeichnen.
    In der Freizeit habe ich trotzdem mit anderen Kindern Fussball gespielt. Hab meine Spielerposition eben entsprechned angepasst. Oder bin mit meinem Freund Fahrrad gefahren.
    Teilweise sogar weitere Strecke als meine Eltern mir zutrauten.

    Die Einschränkungen sind bis zum heutigen Tage so geblieben. Und ich bin heute 35 Jahre alt.
    Allerdings achte ich auf kohlehydrat- und eiweißreiche Ernährung und treibe regelmässig Sport. So konnte ich im Laufe der Jahre die Effizients meiner Muskeln sogar steigern. Muskelaufbau ist auch in gewissem Rahmen drin. Ein kompletter Ausgleich ist jedoch nicht möglich.

    Nun weiß ich von anderen Betroffenen, dass sich im "Alter" die ganze Situation verschärfen kann, sprich die Muskelkraft nimmt weiter ab. Wobei der Zeitpunkt wahrscheinlich variiert.

    Ebenfalls sehr wichtig ist später die Berufswahl. Gut, für Euren Sohn ist das noch kein Thema. Doch trotzdem möchte ich Euch davon erzählen. Denn die falsche Berufswahl kann Jahre kosten.
    Ich hatte mir in den Kopf gesetzt Elektriker zu werden. Die Ausbildung war auch kein Problem. Die spätere Jobsuche dann wohl. Denn ein muskelkranker Elektriker bekommt Probleme an Arbeitsorten, wo Hilfsmittel, wie Kräne oder ähnliches nicht sind. Darum war ich zum Beispiel nicht unbedingt gefragt, bei Personalchefs. Egal wie gut ich bin als Elektriker.

    Mit viel Vitamin B bekam ich dann einen Job. Anschließend habe ich dann in vier Jahren Abendschule den Techniker gebaut. Um von der Werkbank weg ins Büro zu kommen. Zukunftstechnisch fand ich es besser. Anschließend war die Jobsuche auch wesentlich angenehmer und erfolgreicher.

    Soweit meine Erfahrungen.
    Ich hoffe Dir schon einmal einige Fragen beantwortet zu haben. Bin auch gerne Bereit weitere Fragen zu beantworten.

    Zur Duchenne und den Unterschieden kann ich Dir leider nichts schreiben. Da habe ich keine Erfahrung.

    Um eins möchte ich Euch aber bitten. Auch wenn die Einschränkungen bei Eurem Sohn nicht so offensichtlich sind, oder werden, macht nicht den Fehler und verharmlost die Erkrankung. Euer Sohn muß sich täglich damit auseinandersetzen. Da kann er Eltern, die behaupten: "Das ist doch nicht so tragisch" oder schlimmer noch "Du hast doch gar nichts" gar nicht gebrauchen. Ich spreche leider aus Erfahrung.

    MfG
    Manfred

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      #3
      Hallo!
      Danke für deine Infos. Es ist für uns sehr interessant, worauf wir jetzt mehr achten müssen. Wir haben uns bisher auf die Beine konzentriert-weniger auf den Rücken. Wir wurden soweit nicht informiert und können nichts dazu finden. Von den Ärzten hören wir nur, man könne uns zum Verlauf nichts sagen.
      Allein die Vorstellung, dass er im großen und ganzen ein"normales" Leben führen kann ist schon tröstlich.
      Wir tabuisieren das Thema nicht, sondern sprechen zu Hause ganz normal darüber. Wir sind uns nur nicht sicher, ob Sebastian mit seinen 3 Jahren nicht überfordert ist, wenn er uns sprechen hört.Aber wir möchten auch nicht, dass ein "Geheimnis" im Raum steht. Mit ihm sprechen wir nur unwesentlichüber das Thema, sondern loben ihn ganz besonders für jede Bemühung und erklären ihm, es sei schon ok, wenn was nicht geht. Er ist aber ein sehr kluges Köpfchen und weiß seine Schwächen mittlerweile gut einzusetzen. Aber wir hoffen, dass wir ihn nicht zu sehr überfordern. Wurdest du überschätzt? Und wie bist du als Kind mit der Diagnose umgegangen?

      Schöne Grüße
      Bärbl
      Bärbl

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        #4
        Hallo Bärbl,

        zum Verlauf konnten und können die Ärzte mir auch nie Aussagen machen.
        Ein früherer Hausarzt von mir erklärte es immer als gutartige Muskelerkrankung. Wobei gutartig wahrscheinlich vom Standpunkt abhängig ist.
        Möglicherweise ist die Medizin da noch nicht so weit.

        Ihr solltet Eur Augen nicht nur auf Beine und Rücken legen. Legt sie vielleicht besser auf die gesamte Skelettmuskulatur.

        Ob ich überschätzt wurde? Das ist ein heikles Thema. Da haben wir erst einmal die Kindheit. Zu der Zeit war das Thema noch relativ frisch und unbekannt. Meine Eltern waren unerfahren. Ich denke, da haben sie mich eher unterfordert. Weil sie ja eben erstaunt waren wie weit ich mit dem Fahrrad fuhr.

        Mittlerweile wissen meine Eltern was ich zu leisten im Stande bin.

        In der Schule sah das ganze anders aus. War wahrscheinlich auch abhängig vom Sportlehrer. Eine Lehrerin meinte mich vom Sport zu befreien. Überfordert war das mit Sicherheit nicht. Ein anderer Sportlehrer meinte, es wäre besser wenn ich am Sport teilnehme und benotet werde. Je nachdem was auf dem Lehrplan stand, war es teilweise überfordert. Die Benotung war mit Sicherheit überfordert. Denn benotet wurde damals im Verhältnis zu den Mitschülern. Und was dabei rauskam, kannst Du Dir wahrscheinlich vorstellen. Wenn ich da an Leichtatlethik oder Wettkampfsport denke, ganz übel. Zumal beim Manschaftssport die Defizite teilweise noch zu Unwillen unter den Klassenkameraden führte.

        In meiner letzten Beziehung z. B. wurde ich insgesamt überfordert. Das lag daran, dass meine Partnerin sich keine konkreten Gedanken machte, was es bedeutet einen Muskelkranken als Partner zu haben. Ich konnte es ihr auch nicht ausreichend begreiflich machen. Zumal ich selber immer versuche mein bestes zu geben. Vielleicht hätte ich eher sagen sollen, ich kann nicht mehr.

        Beruflich habe ich die gleiche Einstellung. Da schleppe eher ich die Hardware, als Kollegen zu bitten. Obwohl mein Chef meinte, dass ist kein Problem und ich solle nur sagen wenn ich nicht mehr kann. Also liegt es auch hier bei mir, ob ich mich über- oder unterfordere.
        Und ich denke, dass ist eben der größte Knackpunkt. Wie der Betroffene sich selber fordert. Sich selber unterfordern ist schön und gut, kann aber zu noch mehr Kraftabbau führen. Sich selber überfordern, behaupten viele, hat in etwa das gleiche Ergebnis. Also sucht man den goldenen Mittelweg. Und da kann einem kein Arzt mit Rat und Tat beiseite stehen.

        Wie bin ich als Kind mit der Diagnose umgegangen? Nun muß ich dazu sagen, dass ich elf oder zwölf war, als die Diagnose fiel. Man hat es mir damals am Spagethiebeispiel (oder so ähnlich) erklärt. Wie sich später herausstellte ein wirklich sehr vereinfachtes Beispiel. Da ich nun aber schon gewohnt war, mit weniger Kraft auszukommen, habe ich mich nicht weiter damit beschäftigt.

        In der Pupertät traten für mich dann soziale Probleme auf. Mittlerweile war ich ein ausgeprägter Einzelgänger. Die Kontaktaufnahme zu Mädchen war und ist auch heute noch für mich schwierig bis fast unmöglich. Das habe ich dann auf die Erkrankung geschoben. Ob das allerdings wirklich so ist? Ich weiß es nicht?
        Besonders nach der letzten Beizehung frage ich mich, ob ich überhaupt die Voraussetzungen haben für z. B. eine Damilie zu führen.
        Aber soweit ist Euer Sohn ja noch nicht. Für mich liest es sich sehr gut, wie Ihr in der Familie mit dem Thema umgeht. Und ich denke, solange Ihr nichts hart erzwingen wollt, überfordert Ihr den Jungen auch nicht. Er sollte seine Grenzen einfach selber ausloten. Und das macht er wohl auch schon. Wenn ich Dich richtig verstehe. Allerdings besteht eben auch die Gefahr des Unterfordern. Packt den Jungen eben auch nicht "in Watte in einen Glaskasten". Das hört sich wahrscheinlich schwierig an. Aber im Laufe der Zeit findet Ihr Euren Weg. Da bin ich mir sicher.

        MfG
        Manfred

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          #5
          @ Bärbl

          Sieh bitte über die Schreibfehler hinweg. Ich weiß nicht ob die Hitze mein Hirn schädigt, oder was es war. Auf jeden Fall hab ich zuviele Fehler gemacht.

          Zum Thema Schule wollte ich noch was schreiben. Ich weiß von einem Jungen mit Störungen in der Fein- und Grobmotorik. Obwohl die Lehrer es wissen, ist es immer wieder ein Thema. Dann kommt er im Diktat nicht mit. Weil er nicht so schnell schreiben kann, wie die Lehrerin ditkiert. Oder er hat nicht genügend Zeit alles von der Tafel abzuschreiben.

          Andererseits wurde besagter Junge im Sportunterricht mit einer guten Note belohnt, nachdem er einen 1000 Meterlauf als letzter beendete. Die Lehrerin erklärte dass für sie die Bemühung im Vordergund steht, nicht das Ergebnis.

          Was ich damit sagen will. Die Schule wird vermutlich nicht einfach werden für den Jungen.

          MfG
          Manfred

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            #6
            Hallo Bärbl, auch ich habe eine Gliedergürtelmuskeldystrophie, welche erst mit 38 Jahren diagnostiziert wurde. Als Kind hatte ich bereits Einschränkungen, was sich ausschließlich im Sportunterricht feststellen ließ, ich war immer langsam, konnte Bälle (Volleyball) nie übers Netz bringen, da mir die Kraft fehlte, war beim Wettlauf, beim Hüpfen und Springen immer unbeholfen und schneckenmäßig. Die Grudschullehrerin ging damit grossartig um, die Sportlehrer am Gymnasium waren nur furchtbar. In der 10. Klasse wurde ich vom Sport dauerhaft befreit. Ich bin Sonderschullehrerin geworden, habe auch ein Kind bekommen, seitdem bin ich erst wesentlich von der Krankheit eingeschränkt. Da du einen Sohn hast, wird eine Schwangerschaft kein Risiko werden..Mein Sohn hat die Krankheit nicht geerbt.
            Vielleicht hast du ja Lust mit deinem Sohn in Höxter an der Kindertherapie teilzunehmen? Ich werde dieses Jahr wieder zur Kur nach Höxter gehen und ich fand das Programm dort für Eltern und Kinder sehr ansprechend, außerdem bringen die Kinder Leben in die Bude. Als Eltern braucht man viel Kraft um dem Kind Selbstbewusstsein zu geben und in der Umwelt, welche erst eine Einschränkung zur Behinderung macht, zu bestehen. Meine Erfahrungen sind, dass ich immer kämpfen muss gegenüber Behörden. Das ich das kann, liegt unter anderem auch an meiner Bildung. Ich bin meinen Eltern unendlich dankbar mich intellektuell immer gefordert zu haben. Ansonsten hätte ich jetzt nicht das erreicht, was ich jetzt habe.
            Gruß von Kajsa
            Gruß von Kajsa

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